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Die Geschichte des Karl Valentin Blödsinnstalers – Inspiration für den Kuriositäten-Preis der Saubande

Der „Karl Valentin-Taler für den schönsten Blödsinn des Jahres“ – „Ernst ist das Leben – heiter kunnt’s sei!“

Ein Bericht von Gudrun Köhl 2004

Hannes König, erster Valentin-Musäums-Leiter, und
Erfinder des „Blödsinnstalers“ und Gudrun Köhl seine Nachfolgerin

„Ernst ist das Leben – heiter kunnt’s sei!“ Diese Weisheit ziert den Silbertaler, den das Valentin-Musäum alljährlich seit 1966 für den `Schönsten Blödsinn´ des Jahres verleiht. Hannes König, Münchner Kunstmaler und Erfinder des Valentin-Musäums, bekam 1966 den `Schwabinger Kulturpreis´. Einen Teil des Preisgeldes erhielt das `Münchner  Kindlheim´ und mit der zweiten Hälfte schuf er den „Valentin-Taler für den schönsten Blödsinn des Jahres“.

Vorder- und Rückseite des Valentin-Talers „Ernst ist das Leben, heiter kunnts sei“ für den „schönsten Blödsinn des Jahres“

Aufgerufen wurde erstmals 1967 in der tz unter Chefredakteur Karl Wanninger, im Sinne Karl Valentins kuriose Maschinen, Werkzeuge oder ähnlichen dreidimensionalen Schwachsinn zu erfinden und an das Valentin-Musäum zu schicken. Eine Jury, zusammengestellt mit sieben Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, suchte dann aus ca. 300 Einsendungen den Preisträger aus. Sie dürfen glauben, dass neben der Gaudi auch allerhand Fantasie gefordert war, den Verstand in die Schräglage zu bringen, um der Sache gerecht zu werden.

1967, am 11. 11. um 11 Uhr 11, wurde erstmals dieser begehrte Taler am schwarz gelben Band verliehen. Sieger des Wettbewerbs war Helmut Winter mit der Erfindung einer `Knödelschleuder´. Ganz Deutschland war erzürnt über die rücksichtslosen Übungsflüge der neuen Kampfflieger `Starfighter´. Winter gab seinem Zorn Ausdruck, indem er mit  einer Armbrustkonstruktion und SemmelNknödeln auf diese über München im Tiefflug donnernden Luftungetüme zielte. Sein Engagement ging durch  die Weltpresse.

Dann ging es Schlag auf Schlag:

1968 – Thomas Gasteigen, Schreiner – der Nähe des Botanischen Gartens schrieb er es zu, dass eines Nachts auf seiner Birke plötzlich Orangen wuchsen.

1969 erfand Hans Hiltscher das `Zwischen-den-Zeilen-Lesegerät´, ein 17,6 cm langer und 2,8 cm breiter, schwarzer, durch chemische Abwandlung makromolekularer Naturstoff entstandener Streifen (im Volksmund `Kunststoff genannt´) Seither ist es möglich, das Wesentliche aus den Zeilenzwischen-räumen zu lesen.

1970 bekam Peps  Mühlbauer, der „Zerberus des Valentin-Musäums“, den Silbertaler. Er verbrannte den `Schnee von gestern´, der sich vor dem Eingang des Musäums türmte.

1971 gab es plötzlich in den Reihen der Valentin-Musäums-Blödsinns-Taler-Träger und Anwärter große Verwirrung. Man las in der Münchner Presse, dass  F. J. Strauß den ehrenwerten Taler zugesprochen bekam. Empörte Anrufer im Valentin-Musäum wiesen auf den Missgriff hin und verlangten eine Erklärung. Nun, was war geschehen? Die Idee unseres „Karl-Valentin-Blödsinns-Talers“ hat in den Augen des Elferrats der Faschingsgesellschaft Narrhalla´ Gefallen gefunden und wurde kurzerhand als `Karl-Valentin-Orden´ ebenfalls jeweils am 11. 11. 11 Uhr 11 an den Mann aus Kultur, Politik und Wirtschaft gebracht. Das Valentin-Musäum hat sich gedacht, bei zwei Valentin-Talern ist einer zu viel und hat sich, nachdem der `Narrhalla-Valentin-Orden´ sehr schön ist, entschlossen, die Werbung für Karl Valentin bzw. das Valentin-Musäum den anderen zu überlassen, weshalb unser „Karl Valentin-Taler für den schönsten Blödsinn“ bis 1989 nicht mehr verliehen wurde.

Doch im Laufe der Jahre kamen immer wieder Anfragen, wann wir denn wieder zum `Blödsinnstaler´ aufrufen würden, der Wettbewerb hätte allerorten so viel Spaß gemacht. Nachdem ich mich nach einem öffentlichen Organ umgehört hatte, hat sich das `Münchner Wochenblatt´ bereit erklärt, die Berichterstattung zu übernehmen.

1990  konnte nach längerer Pause erstmals wieder der `Taler für den schönsten Blödsinn des Jahres´ verliehen werden. Wir änderten den Tag der Verleihung  vom  Faschingsbeginn auf den 4. Juni, dem Geburtstag Valentins.

Einsendungen kamen nicht nur aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich, sondern auch aus der damaligen `Noch-DDR´. An die 300 Exponate trafen in den Redaktionsräumen ein und ich muss sagen, wir hatten viel Spaß, aber auch viel Arbeit, um aus der Fülle des Unsinns den unsinnigsten herauszufinden.

1990 bekam der 13jährige Hermann Sand für seine Eieruhr-Erfindung den Taler. Er meinte, wenn die Eier gleich mit einer Uhr versehen wären, gäbe es nie mehr zu harte Frühstückseier. Der damalige OB Georg Kronawitter hatte beson-deren Gefallen an diesem Gerät gefunden.

1991 überreichte Kronawitter an Lydia Pickl aus dem Fichtelgebirge den begehrten Taler. Sie erfand den `Kleiderbügel für ein trägerloses Abendkleid´. Ich glaube, der Valentin hat von seiner Wolke aus diese Frau für ihre geniale Erfindung beneidet.

1992, zum  100. Geburtstag Valentins, wurde der Taler im Löwenbräukeller im Rahmen eines großen Programms an Rudolf Gunde verliehen. `A Por Drät´ war seine Erfindung, was auf den malerischen Reichtum unserer schönen bayeri-schen Sprache hinweist.

1993 bekam Josef Strehl für seine Öffentlichkeits-Kritik `Post d´Leit-zahlen´ den Blödsinnstaler.

1994 hat Therese Altmann mit ihrem `Gebiss-Ersatz Marke Seehofer´ an der Gesundheitsreform genagt. Anhand eines `Fleischwolfs´ erspare man sich die dritten Zähne; man könnte sozusagen das Fleisch löffeln!

1995 hatte es die Jury nicht leicht, den größten Blödsinn auszuwählen. Der Taler fiel schließlich auf den Planegger Stammtisch von Anton Stadler und dem Schlosser Rudolf Linnen. Ein Schlüssel war zu verlängern um fünf Zentimeter. Als Stadler den Schlüssel wieder abholte, traute er seinen Augen nicht: Der Schlüssel war vor dem Bart verlängert.

1996 erhielt Dr. Georg Rösel aus der ehemaligen DDR für seinen „Soßen-Binder“ aus den Händen der Stadträtin Christl Purucker den Valentin-Taler.

1997 brachte Elmar Vanselow ein „Herrenloses Damenfahrrad“  ins Valentin-Musäum und  bekam dafür den Taler.

1998 erfand Wolfgang Jackel die „Telefonlose Schnur“. Weil man damit die mitfahrenden S-Bahngäste nicht stört, meinte er, und erhielt dafür die begehr-te silberne Trophäe am schwarz-gelben Band.

1999 bekam die Kunstmalerin Tita Heydecker für ihre kuriose Idee „Haare Krishna – Haare Rama!“ den Taler – ein Büschel spröder Haare in einer Rama-schachtel!

2000, dem 118. Geburtstag von Karl Valentin, erhielt Florian Wiedl  für seinen Wortwitz, plastisch dargestellt, „Gegangener Teig“ den Valentin-Taler für den schönsten Blödsinn des Jahres. Zu sehen war eine irdene Teigschüssel mit ein paar fetten Watschelabdrücken, eben  des  gegangenen Teiges.

Die hier aufgeführten Exponate sind lediglich nur die Spitze des Blödsinns-Eisbergs. Tausende von skurrilen und kuriosen eingesendeten Erfindungen  mussten die Postboten im Laufe von 33 Jahren im Valentin-Musäum und beim Münchner Wochenblatt abliefern.

Ich muss schon sagen, solang die Menschen noch so viel Freude an solcher Freizeitgestaltung haben und weder Zeit noch Mühen scheuen, ist noch nicht alle Tage Abend „des is wie bei jeda Wissenschaft, am  End stellt se raus, dass ois ganz anders war!“, um mit einem Wort des großen Wortverdrehers und Nonsens-Fabrikanten Karl Valentin  diesen Bericht zu enden.

Und hier die Chronik des Karl Valentin-Talers

1966/67   Hannes König stiftet den „Karl Valentin-Taler für den schönsten Blödsinn des Jahres

1967 Helmut Winter: „Knödelschleuder“ (Waffe gegen den „Starfighter“)

1968 Thomas Gasteigen: „Birke auf der Orangen wachsen“.

1969 Hans Hiltscher: „Zwischen-den-Zeilen-Lesegerät“ (Kunststoff mit dem man das Wesentliche aus den Zeilenzwischenräumen lesen kann).

1970 Peps Mühlbauer: „Verbrennung des Schnees von gestern“ vor dem Eingang des Musäums

1971 Die Faschingsgesellschaft Narrhalla lässt sich durch den „Karl Valentin-Taler“ zu ihrem „Valentin-Orden“ anregen und sorgt damit für Ärger. Der Vorwurf: Die Narrhalla habe die Idee der „Valentin-Taler-Verleihung für den schönsten Blödsinn“ plagiiert.

1972   Ungeachtet der Kritik beschließt die Narrhalla, ihren „Valentin Orden“ erstmals im Fasching 1973 zu verleihen.

1973   Die Faschingsgesellschaft Narrhalla verleiht ihren „Karl Valentin-Orden“ erstmals an Werner Finck. Daraufhin wird die „Valentin-Taler-Verleihung“ ausgesetzt und erst ein Jahr nach dem Tod von Hannes König (1989) im Jahre 1990 wieder aufgenommen. Dabei Änderung des Tags der Verleihung vom Faschingsbeginn auf den 4. Juni, dem Geburtstag Valentins.

1990 Hermann Sand (13 Jahre alt): „Eieruhr“ – Eier mit einer Uhr versehen

1991 Lydia Pickl: „Kleiderbügel für ein trägerloses Abendkleid“ – nur der Haken eines Kleiderbügels

1992 110. Geburtstag Valentins: Rudolf Gunde: „A Por Drät“ – in einem Rahmen sind auf der Bildfläche ein paar Drähte zu sehen

1993 Josef Strehl: „Post d´Leit-zahlen“. Auf einer Seite mit Postleitzahlen steht dieser Spruch.

1994 Therese Altmann: „Gebiss-Ersatz Marke Seehofer“ – Fleischwolf, durch denFleisch gedreht wird, wodurch man sich die dritten Zähne spart (Kritik an der Gesundheitsreform Seehofers)

1995 Planegger Stammtisch von Anton Stadler und des Schlossers Rudolf Linnen: „Verlängerter Schlüssel“ Der Schlüssel wurde vor dem Bart verlängert.

1996 Dr. Georg Rösel aus der ehem. DDR: „Soßen-Binder“

1997 Elmar Vanselow: „Herrenloses Damenfahrrad“ 

1998 Wolfgang Jackel: „Telefonlose Schnur“ – Weil man damit die mitfahren-den S-Bahngäste nicht stört.

1999 Tita Heydecker: „Haare Krishna – Haare Rama!“ Ein Büschel spröder Haare in einer Ramaschachtel!

2000 118. Geburtstag Valentins: Florian Wiedl: „Gegangener Teig“ – Eine irdene Teigschüssel mit ein paar fetten Watschelabdrücken des  gegange-nen Teiges. Weitere Ideen waren: Samenbank (Bank aus Holz mit aufgeklebten Blumensamen), Halbleiter (eine durchgesägte Leiter). Lam-penfieberthermometer (Fieberthermometer in einer Glühbirne)

2004   Gudrun Köhl tritt von der Leitung des Valentin-Musäums zurück. Die letzte Verleihung des Valentin-Blödsinnstalers erfolgte bereits 2000.

Ausstellungseröffnung: Krautwurst und Weisswickel

Die Ausstellungseröffnung am 9. Februar mit Bürgermeisterin Katrin Habenschaden

Nach einem Presserundgang mit männlicher Politprominenz erwarteten wir mit viel Vorfreude am Abend die offizielle Eröffnung der Ausstellung durch die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München, Katrin Habenschaden.

Nach einführenden Worten von Museumsdirektorin Sabine Rinberger eröffnete Katrin Habenschaden die Ausstellung. Andreas Koll begleitete musikalisch mit Akkordeon und einem dadistisch zusammengestellten Instrumentensammelsurium, Texte von Valentin und Schwitters rezitierend.

Prof . Wörgötter und die Studentin Leonie Gröner beschrieben in einem Zwiegespräch noch einmal sehr anschaulich den Entstehungsprozess dieser ungewöhnlichen Ausstellung.

Ein kleiner Film mit Impressionen zum Eröffnungstag:

Impressionen zum Eröffnungstag am 9. Februar 2023

Zum 75. Todestag von Karl Valentin

Hoher Besuch im Musäum, das LKA, die Bierfahrer und eine tolle Ausstellung

Ministerpräsident Dr. Markus Söder (li) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (re) besuchten heute das Valentin-Karlstadt-Musäum. Direktorium Sabine Rinberger führte im Rahmen einer Presseführung kurz in das Leben Valentins ein. Anschließend besuchten alle zusammen die neue Sonderausstellung „Krautwurst und Weisswickel“.

Vor 75 Jahren am 9. Februar 1948 ist Karl Valentin in Planegg gestorben. Not und Verbitterung darüber, als Künstler nicht mehr verstanden zu werden, bestimmten seine letzten Jahre. Gerne hätte Karl Valentin nach dem Krieg wieder in München gewohnt, Planegg empfand er als Ausland. Aber seine Stadtwohnung war im Krieg zerstört worden.

Dem Kunstmaler Hannes König und der Unterstützung von vielen Münchner*innen ist es zu verdanken, dass Karl Valentin posthum wieder ein zu Hause im geliebten München gefunden hat: 1959 wurde ihm im Isartor sein Musäum gewidmet. Seit 2018 ist das Valentin-Karlstadt-Musäum städtisch. Heute wie damals begeistert Karl Valentin auf der ganzen Welt und ist Vorbild und Inspirationsquelle für viele Künstler*innen und Menschen.

So auch für DesignstudentInnen der Hochschule Augsburg, die unter Leitung ihres Professors Michael Wörgötter eine wunderbare Ausstellung gestalteten: „Krautwurst und Weißwickel – Karl Valentin und Kurt Schwitters – eine DADA-Collage.“

Prof. Michael Wörgötter mit Leonie Gröner und Veronika Bruckert, zwei Studentinnen, die das Ausstellungsprojekt mitgestaltet haben und im Rahmen der Presseführung die Collagen vorgestellten. Im Allitera Verlag ist das Projekt als Buch erschieben.

Am Abend wird die Ausstellung offiziell von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden eröffnet. Dazu wird ein eigener Blogbeitrag erscheinen.

Das Herz Münchens ist im Isartor und die Biefahrer müssen heute leider wieder abfahren

… und dann noch das LKA und die Bierfahrer… Es kommt nicht alle Tage vor, dass man morgens von zwei durchtrainierten Herren des LKA begrüßt wird, die die Tour des Ministerpräsidenten durchs Museum abklären, alle Toiletten durchsuchen, das Turmstüberl mit Wohlwollen betrachten und nach zwei Runden im Isartor Google Maps zur Hilfe rufen. Wo bin ich und wenn ja, wieviele?
Am Ende ist alles sicher – Sicherheit geht vor Seltenheit – denkt man, da kommen fünf Minuten vor dem Besuch von Freistaats- und Stadtoberhaupt die Bierfahrer der Augustiner-Brauerei und würden gerne 20 Kisten Helles in den 3. Stock des Isartors tragen… das geht halt nicht, auch wenn Oberbürgermeister Dieter Reiter gerade vorbeikommt „wenn olle a Tragerl nemma, dann samma glei‘ fertig“ ..

Christian Boltanski – Tode zum Lachen

Die neue Sonderausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum
14. Juli – 15. November 2022

Christian Boltanski zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern. Das Valentin-Karlstadt-Musäum ist ihm zu großem Dank verpflichtet. Aus Verehrung für Karl Valentin, vermachte er sein Frühwerk aus der Mitte der 70er Jahre 1993 dem Museum. Zuvor zeigte er es hier in einer Sonderausstellung. Boltanski fühlt sich in seinem Schaffen Karl Valentin sehr verbunden. Mit ihm überdachte er sein Werk neu und übernahm die Idee des Clowns. Diese Schenkung, die das komische Frühwerk Boltanskis umfasst, besteht aus etwa 180 Objekten, Fotos hinter Glas, Plakaten, Requisiten, gemalten Bühnenbildern, Schallplatten und wurde in seiner Gesamtheit so noch nicht gezeigt.

Christian Boltanski: Tode zum Lachen - Das Erhängen

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„Nur in einem kurzen Moment war Christians Boltanskis Kunst komisch. Doch sein Humor, ohne Ironie, kein spöttischer, sondern ein markerschütternder, herzzerreißender, war ein wichtiger Bestandteil seines Lebens, seiner Kunst und seiner Kunst zu leben“

Museumsdirektorin Sabine Rinberger in ihrem Aufsatz zum Austellungskatalog.

Mit großzügiger Unterstützung der Saubande entstand der wunderbare Katalog zur Ausstellung.

Die Vergänglichkeit, die Erinnerung und deren Verfälschung waren Christian Boltanskis große Themen. Sein Werk ist geprägt von der Erfahrung des Holocausts. Der Vater, ein anerkannter Arzt mit ukrainisch-jüdischen Wurzeln, musste sich fast zwei Jahre lang in einem winzigen Verließ vor den Nationalsozialisten im Pariser Familienhaus verstecken. Nur so entging er der Verfolgung und der drohenden Ermordung. In den Tagen der Befreiung von der Deutschen Besatzung wurde Christian Boltanski am 6. September 1944 geboren, als dritter Sohn. Er erhielt den zweiten Vornamen „Liberté“. Das traumatische Erlebnis der Bedrohung bestimmt das Familienleben. Man verlässt sich nicht mehr, lebt, reist, isst und schläft in einem Raum zusammen, selbst noch im erwachsenen Alter. Die Angst ist ein ständiger Begleiter. Boltanski verweigert die Schule und findet sich in der Kunst.

Eines der zentralen Exponate der Ausstellung ist die Puppe „Petit Christian“. Christian Boltanski übernahm von Karl Valentin die Idee des Clowns und dachte auch daran, die Figur eines Bauchredners zu verwenden. Er wollte seine Person verdoppeln, zwei Rollen spielen, indem er sich als Erwachsener und mit Hilfe der Puppe als „Petit Christian“, als kleiner Junge szenisch darstellte. So entstanden Fotographien und kleine Filme mit ihm und der Puppe als Alter Ego. Im schäbigen Anzug erzählte er in Begleitung seiner Puppe die eigene Kindheit, ein Kindheit, die so gewesen sein könnte, aber in dieser Form Fiktion war. Diese gefälschte Kindheit kann in der Banalität der dargestellten Szenarien Jedermanns Kindheit, Jedermanns Biografie sein. Die Ausstellung ist also eine Entdeckung vieler möglicher Leben.

Im Buch „Die möglichen Leben des Christian Boltanski“ von Christian Boltanski und Catherine Grenier beschrieb er selbst diese Periode wie folgt: „Dieser Clown hatte drei oder vier Auftritte, und danach bekam er sein Museum wie Karl Valentin in München.“

Blick in die Ausstellung

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Alle Bilder (c) Valentin-Karlstadt-Musäum mit Ausnahme von Sabine Rinberger in der Ausstellung, hier (c) Milen Till