Schlagwort: Valentin-Karlstadt-Musäum

Das Geburtshaus von Karl Valentin

in der Zeppelinstraße 41 in München-Au

Ein Beitrag des Autors, Stadtführers und Mitglieds der Saubande Rudi Hartbrunner

In dem am 15. März 1947 von Bayerischen Rundfunk ausgestrahlten Stück „Das Interview“ behauptete Karl Valentin, dass er „in der Sonnenstraße, im Postscheckamt!“ zur Welt gekommen sei. Er begründete dies damit, dass „das Postscheckamt 1882 das Gebärhaus war, in welchem ständig geboren wurde. Da hat schon der selige Papa Geis immer drüber gesungen: ‚In der Sonnenstraß’ da steht a rots Haus. Alloa gengas eine und zu zwoat gengas raus!‘“ Aber, „Das Interview“ war nicht wirklich ein Interview und die Auskünfte Karl Valentins über sein Leben und Treiben waren – vorsichtig gesagt – autobiographisch einfach nicht ganz korrekt.

Das Haus in der Entenbachstr. 63 (heute:Zeppelinstr. 41); Gemälde von Valentin Ludwig Fey, 1896
(C) Valenin-Karlstadt-Musäum

Vielmehr war das Haus in der heutigen Zeppelinstraße 41 sein Geburtsort. Das geht aus seiner im Valentin-Karlstadt-Musäum befindlichen Geburtsurkunde eindeutig hervor. 1851 war der Baubeginn des zunächst aus vier Fensterachsen und drei Stockwerke bestehenden Karl-Valentin-Geburtshauses.

Das Elternhaus, erbaut im Jahr 1851. (c) Valentin-Karlstadt-Musäum

Es wurde 1874 um drei weitere Fensterachsen erweitert und war damit ein stattliches Wohn- und Geschäftshaus in der am 1. Oktober 1854 eingemeindeten Vorstadt Au. Der als Valentin Ludwig Fey geborene Knabe verbrachte hier seine Kind- und Jugendzeit. Mit dem Tod seines Vaters am 8. Oktober 1902 musste der zum Komiker heranwachsende Karl Valentin das Speditionsunternehmen weiterführen. Der in Geschäftsdingen nicht immer glücklich agierende Valentin fuhr das Unternehmen innerhalb von vier Jahren voll an die Wand, sodass nicht nur die Firma, sondern gleich das ganze Anwesen verkauft werden musste. Den Namen der 1847 gegründeten Speditionsfirma übernahm der aus der damals zu Bayern gehörenden Rheinpfalz Jean Hopp, der durch den Kauf als lange eingeführte Firma erscheinen wollte. Das Speditionsunternehmen erwarb Adolf Weiß. Nach dem Abzug aller ausstehenden Forderungen und Hypotheken, die noch der verstorbene Vater „infolge schlechten Geschäftsganges“ aufgenommen hatte, verblieben Karl Valentin und seiner Mutter noch etwa 6.000 Mark. Nun war alles verloren, sodass sich Karl Valentin und seine Mutter am 15. November 1906 in München abmeldeten und nach Zittau (Heimatstadt von Valentins Mutter Maria Johanna Fey) zogen. Damit endete die Beziehung des später weltberühmten Humoristen zu seinem Geburtshaus in der Münchner Vorstadt Au.

Der Autobauer Ludwig Weinberger jun. und der Bugatti Royale Typ 41

Das Anwesen in der Zeppelinstraße 41 ging im Jahr 1910 in das Eigentum von Ludwig Weinberger senior über. Der neue Bewohner ließ die Rückgebäude der ehemaligen Spedition Falk & Fey umgehend abreißen, um dort neue Werkstätten einzubauen. Außerdem beauftragte der Wagenbauer im Jahr 1914 im Vordergebäude des Karl-Valentin-Geburtshauses in der Zeppelinstraße 41 einen Ausstellungsraum. Dort befindet sich heute die Unterkunft der Freund*innen der Vorstadt Au.
Der Sohn des Karosseriebauers, Ludwig Weinberger junior, trat 1931 in das Unternehmen ein, übernahm eine BMW-Vertretung und baute bis zum Zweiten Weltkrieg dort etwa 300 Karosserien. 1932 machte er das Unternehmen in der internationalen Autowelt über Nacht berühmt.

Der von Ludwig Weinberger jun. entworfene Bugatti Royale; Bild: Deutsches Museum

Auftraggeber war der Nürnberger Modearzt Dr. Joseph Fuchs, der sein Bugatti Royale-Fahrgestell in der kleinen Werkstatt in der Au mit einer imposanten schwarz-gelben Cabriolet-Karosserie versehen ließ. Drei Monate dauerte die Herstellung der Karosserie, die etwa 7.000 RM kostete. Das Fahrgestell war rund 75.000 RM teuer. Den „Bugatti Royale“ verehren Liebhaber noch heute als „das schönste Auto der Welt“. Das Auto war sechs Meter lang, schluckte fünfzig Liter Benzin auf einhundert Kilometern und sein Preis entsprach dem Wert von mehr als acht Einfamilienhäusern. Als Dr. Joseph Fuchs nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1934 – aufgrund seiner jüdischen Abstammung – ins Ausland emigrieren musste, nahm er seinen Bugatti Royale Typ 41 natürlich mit ins Exil, das ihn über die Schweiz nach Shanghai und von dort über Kanada bis nach New York führte. Im Jahr 1943 erwarb der General-Motors-Ingenieur Charles Chayne den Bugatti Royale und ließ das Luxus-Gefährt in den Jahren 1946/47 restaurieren. Dabei wurden zahlreiche Änderungen und Eingriffe vorgenommen. Im Jahr 1958 schenkte Chayne den restaurierten Bugatti Royale dem Henry Ford Museum in Dearborn, wo er noch bis heute eine der größten Attraktionen darstellt und bewundert werden kann. Insgesamt wurden nur sieben dieser Luxusgefährte gebaut und sechs davon verkauft. Alle sechs Bugatti Royale existieren noch heute und präsentieren den Mythos der Marke Bugatti in verschiedenen Museen und Privatsammlungen auf der ganzen Welt. Eines dieser Autos erzielte im Jahr 1987 die Rekordsumme von gut 16 Millionen Mark.

1954: Gedenktafel für Karl Valentin

Am Karl-Valentin-Geburtshaus in der Zeppelinstraße 41 wurde am 1. Oktober 1954 eine Gedenktafel für den großen Komiker angebracht und von seiner langjährigen Partnerin Liesl Karlstadt eingeweiht.
Anwesend war auch Schorsch Blädel und viele Fahnenabordnungen. Die Tafel war eine Stiftung der Freunde des Nationaltheaters unter Federführung der Süddeutschen Zeitung. Der äußere Anlass war die 100-jährige Eingemeindung der Vorstädte Au, Haidhausen und Giesing nach München. 

Rudolph Moshammers Idee von der „längsten Theke der Welt!

Um das Valentin-Haus blieb es ruhig, bis es die Eigentümer im Jahr 1987 abreißen und durch einen Neubau ersetzen lassen wollten. Widerstand kam hoch, ein Sanierungsgutachten wurde gefordert. Dieses erstellte die Münchner Gesellschaft für Stadtsanierung – MGS und kam zum Ergebnis, dass die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes 6 Millionen DMark kosten und ein Abbruch und anschließender Neubau mit 5 Millionen DMark zu Buche schlagen würde. Unter den gegebenen Umständen verzichteten sowohl die MGS, als auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG auf die Übernahme, weshalb am 7. Juni 1993 beim Planungsreferat um eine Abbruchgenehmigung für das Gebäude ersucht wurde.
Das wiederum veranlasste am 30. Juni 1993 den Diplom-Ingenieur Klaus Schmidt, die Konditionen für einen möglichen Erwerb des inzwischen sehr heruntergekommenen Hauses an der Zeppelinstraße 41 zu erfahren. Unterstützung erhielt er dabei vom Heimatpfleger, der den Erhalt des Gebäudes forderte. Ein weiterer Interessent für das Haus war Dr. Gunter Fette, der Verwalter des Karl-Valentin-Nachlasses, der aus verständlichen Gründen ein Interesse am Erhalt des Gebäudes zeigte. Unabhängig davon beschloss der Stadtrat in seiner Sitzung vom 21. Juli 1994 – mit schwarz-grüner Mehrheit – den Verkauf des Karl-Valentin-Geburtshauses an den Münchner Modezaren aus der Maximilianstraße, Rudolph Moshammer. Dieser wollte im Valentin-Haus die „längste Theke Münchens“ einrichten. Eine Gaststätte im Vorderhaus mit etwas Wohnraum darüber, ein weiteres Lokal im Bistro-Stil samt Terrasse, ein Kino oder ein Theaterraum im Rückgebäude. Später kam noch der Plan einer Schule für männliche Mannequins hinzu. Durch den Widerstand des Bezirksausschusses Au-Haidhausen und aus mehreren Bürgerversammlungen ließen Rudolph Moshammer am 1. Februar 1996 von seinem Vertrag zurücktreten. Er konnte – trotz mehrerer Aufforderungen – nie einen konkreten, greifbaren Plan vorlegen. Völlig frustriert und regelrecht verbittert sowie unter einem Wust von Vorwürfen gegenüber der Landeshauptstadt München bezeichnete er den Bezirksausschuss-Vorsitzenden Hermann Wilhelm als „Vereinsmeier ohne Durchblick“. Er selbst empfand sich als ein „Opfer von Zauderern im Planungsreferat“.

Klaus Schmidt – „Der Retter des Valentin-Hauses“

Karl Valentins Geburtshaus im April 1977

Inzwischen hatte der Diplom-Ingenieur Klaus Schmidt, der im September 1995 seine Bewerbung eingereicht hatte, sein Kaufangebot von damals 800.000 DMark auf die „valentineske Summe“ von 888.888,88 DMark erhöht. Die letzten Hürden für das Projekt Karl-Valentin-Geburtshaus in der Zeppelinstraße 41 konnten in einem Gespräch zwischen dem Dipl.-Ing. Klaus Schmidt, Oberbürgermeister Christian Ude und der Stadtspitze entfernt werden. Doch um den 1. September 1996 wären die Verkaufsverhandlungen für das Projekt beinahe doch noch gescheitert. Schließlich konnte man sich in letzter Sekunde einigen. Zeit war es geworden. Das Gebäude war schon 20 Zentimeter in den sandigen Kiesboden eingesackt, und Risse durchzogen die Wände. Damit das Haus nicht auseinander fällt, mussten von außen Quer- und Stützbalken angebracht werden.

Die Reste der Wekstattgebäude im Hof der Zeppelinstr. 41, aus denen die Stadtwohnungen entstanden sind.


Endlich konnte Klaus Schmidt am 18. September 1996 das Valentin-Haus an der Zeppelinstraße tatsächlich um die zu Karl Valentin passende Summe von 888.888,88 DMark kaufen, um die 890 Quadratmeter anschließend zu sanieren und in neue Wohnungen umzuwandeln. Schmidt setzte auf eine stadtteilbezogene Nutzung des Valentin-Hauses, das vollständig saniert und ausgebaut werden sollte. Einer der ersten Mieter war der Verein der „Freunde der Vorstadt Au“, fünf weitere Wohnungen wurden vermietet.

Im Hof waren vier Stadthäuser und ein modernes, verglastes turmartiges Architekturbüro geplant. Insgesamt dauerten die Bauarbeiten bis etwa zum 15. Dezember 1998. Dann waren sie abgeschlossen. Die Baumaßnahme hatte bis zu diesem Zeitpunkt rund 7 Millionen DMark verschlungen.

Das in den Jahren 1997/98 sanierte und neu renovierte Valentin-Haus in der Zeppelinstr. 41 (Aufnahme: Okt 1999)

Aus einem Schandfleck und dem hässlichen Entlein in der Au war ein wunderschöner Schwan geworden.

Rudolf Hartbrunner 29. April 2023

Ausstellungseröffnung: Krautwurst und Weisswickel

Die Ausstellungseröffnung am 9. Februar mit Bürgermeisterin Katrin Habenschaden

Nach einem Presserundgang mit männlicher Politprominenz erwarteten wir mit viel Vorfreude am Abend die offizielle Eröffnung der Ausstellung durch die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München, Katrin Habenschaden.

Nach einführenden Worten von Museumsdirektorin Sabine Rinberger eröffnete Katrin Habenschaden die Ausstellung. Andreas Koll begleitete musikalisch mit Akkordeon und einem dadistisch zusammengestellten Instrumentensammelsurium, Texte von Valentin und Schwitters rezitierend.

Prof . Wörgötter und die Studentin Leonie Gröner beschrieben in einem Zwiegespräch noch einmal sehr anschaulich den Entstehungsprozess dieser ungewöhnlichen Ausstellung.

Ein kleiner Film mit Impressionen zum Eröffnungstag:

Impressionen zum Eröffnungstag am 9. Februar 2023

Zum 75. Todestag von Karl Valentin

Hoher Besuch im Musäum, das LKA, die Bierfahrer und eine tolle Ausstellung

Ministerpräsident Dr. Markus Söder (li) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (re) besuchten heute das Valentin-Karlstadt-Musäum. Direktorium Sabine Rinberger führte im Rahmen einer Presseführung kurz in das Leben Valentins ein. Anschließend besuchten alle zusammen die neue Sonderausstellung „Krautwurst und Weisswickel“.

Vor 75 Jahren am 9. Februar 1948 ist Karl Valentin in Planegg gestorben. Not und Verbitterung darüber, als Künstler nicht mehr verstanden zu werden, bestimmten seine letzten Jahre. Gerne hätte Karl Valentin nach dem Krieg wieder in München gewohnt, Planegg empfand er als Ausland. Aber seine Stadtwohnung war im Krieg zerstört worden.

Dem Kunstmaler Hannes König und der Unterstützung von vielen Münchner*innen ist es zu verdanken, dass Karl Valentin posthum wieder ein zu Hause im geliebten München gefunden hat: 1959 wurde ihm im Isartor sein Musäum gewidmet. Seit 2018 ist das Valentin-Karlstadt-Musäum städtisch. Heute wie damals begeistert Karl Valentin auf der ganzen Welt und ist Vorbild und Inspirationsquelle für viele Künstler*innen und Menschen.

So auch für DesignstudentInnen der Hochschule Augsburg, die unter Leitung ihres Professors Michael Wörgötter eine wunderbare Ausstellung gestalteten: „Krautwurst und Weißwickel – Karl Valentin und Kurt Schwitters – eine DADA-Collage.“

Prof. Michael Wörgötter mit Leonie Gröner und Veronika Bruckert, zwei Studentinnen, die das Ausstellungsprojekt mitgestaltet haben und im Rahmen der Presseführung die Collagen vorgestellten. Im Allitera Verlag ist das Projekt als Buch erschieben.

Am Abend wird die Ausstellung offiziell von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden eröffnet. Dazu wird ein eigener Blogbeitrag erscheinen.

Das Herz Münchens ist im Isartor und die Biefahrer müssen heute leider wieder abfahren

… und dann noch das LKA und die Bierfahrer… Es kommt nicht alle Tage vor, dass man morgens von zwei durchtrainierten Herren des LKA begrüßt wird, die die Tour des Ministerpräsidenten durchs Museum abklären, alle Toiletten durchsuchen, das Turmstüberl mit Wohlwollen betrachten und nach zwei Runden im Isartor Google Maps zur Hilfe rufen. Wo bin ich und wenn ja, wieviele?
Am Ende ist alles sicher – Sicherheit geht vor Seltenheit – denkt man, da kommen fünf Minuten vor dem Besuch von Freistaats- und Stadtoberhaupt die Bierfahrer der Augustiner-Brauerei und würden gerne 20 Kisten Helles in den 3. Stock des Isartors tragen… das geht halt nicht, auch wenn Oberbürgermeister Dieter Reiter gerade vorbeikommt „wenn olle a Tragerl nemma, dann samma glei‘ fertig“ ..

Liesl Karlstadt und die Melancholie

Eine fiktive Anamnäse – Uraufführung in Kempten

Am Montag, den 17.10. 22 fand in Kempten eine außergewöhnliche Theateraufführung des Ensembels „Die Minderbemittelten“ anlässlich der Woche der seelischen Gesundheit des Bezirkskrankenhauses Kempten statt.

Inspiriert von dem von Sabine Rinberger und Andreas Koll verfassten Buch „Liesl Karlstadt. Schwere Jahre 1935 – 45“ verfasst der Dipl. Psychologe Michael Binzer ein fiktives Anamnäse – Gespäch zwischen Liesl Karlstadt und ihrem Psycholgen. Binzer lässt diese Gespräch Ende der 50er Jahre stattfinden. Liesl Karlstadt, die zusammen mit ihrem Bühnenpartner Karl Valentin das mit bekannteste Komikerduo der deutschen Vorkriegszeit bildete, spricht darin über die Umstände ihrer depressiven Phasen, die einen Suizidversuch und mehrere Aufenthalte in der Universitätspsychiatrie München zur Folge hatten.

v.l.n.r. Michael Binzer (Psychologe und Autor des Stücks), Sabine Rinberger (Direktorin des Valentin-Karlstadt-Musäums und Mitautorin des Buches „Liesl Karlstadt: Schwere Jahre), Cordula Weber (Schauspielerin, Darstellerin der Liesl Karlstadt) und Prof. Dr. Markus Jäger (Ärztlicher Direktor des BKH Kempten)

Michael Binzer spielt den Psychologen selbst, Liesl Karlstadt wird zerbrechlich-robust dargestellt von Cordula Weber, einer Schauspielerin mit einer selbst angeschlagenen seelischen Gesundheit – beeindruckend wie berührend.

Sabine Rinberger, Direktorin des Valentin-Karlstadt-Musäums begleitete dieses Projekt als wissenschaftliche Beraterin und war auch bei der Premiere unter den begeisterten Zuschauer*innen.

Hier schreibt Monika Rohlmann für das Evangelische Sonntagsblatt.